Kategorie-Archiv: Chiang Mai

Schaffe, schaffe Häusle baue

Die gute schwäbische Weisheit „Schaffe, schaffe, Häusle bauen“ wird in Nordthailand verdreht – oder haben wir in Deutschland etwas falsch verstanden? Terminologisch korrekt müsste die Weisheit in Deutschland doch lauten: Arbeiten, arbeiten und noch ein kleines bisschen mehr arbeiten, um ausreichend Geld zu haben, um kreditwürdig zu sein, um damit den Traum vom Eigenheim in den folgenden 30 Jahren bei der Bank des Vertrauens abzuzahlen, der für die Bauarbeiter benötigt wird, um ein Haus für dich zu bauen ….

Was dabei verloren geht? Zeit, Du – und natürlich der Spaß an der Sache.

Wir haben nach einem pragmatischeren Ansatz gesucht und sind fündig geworden. Unsere Reise führt uns nach Mae Tang in die Nähe des Mae Ngat Staudamms, etwa 2 Stunden nördlich von Chiang Mai, Thailand. Hier hat Jon Jandai (Phi Joe) vor ca. 20 Jahren die Eco Community Pun Pun gegründet und ist der Pionier im Lehmhausbau in Thailand.

Laut Phi (die thailändische Bezeichnung für großer Bruder) Joe ist Lehmhausbau die einfachste Art und Weise ein Haus zu bauen, jeder Mensch kann es. Erwachsene können es, Kinder können es – du kannst es! Alles was du brauchst ist dein Körper…und wenn wir nun ein Haus in weniger als einem Jahr und für nicht mal 10.000 Euro bauen, haben wir uns nach kurzem Überschlagen knapp 29 Jahre gespart. Wie man 29 Jahre Lebenszeit in Euro gegenrechnen will ist dabei wohl eher eine schwierige und recht philosophische Frage :D.

Das Ambiente und die Atmosphäre hier sind unbeschreiblich. Den Platz, den sich Nate und Phi Yao für Ihr Lehmhaus ausgesucht haben ist malerisch. Umgeben von Reisfeldern und den südlichsten Ausläufern des Himalayas ist jeder Sonnenaufgang und -untergang ein Erlebnis. Der Naturbadesee/Wasserspeicher, der schon letztes Jahr angelegt wurde, tut dem ganzen keinen Abbruch. Junge und wissbegierige Menschen aus über 20 Ländern sind gekommen, um zu lernen und den beiden beim Hausbau zu helfen.

Zu Beginn stehen wir nun in einem riesen Lehmloch (ehemaliges Reisfeld), dessen Inhalt in ein Einfamilienhaus verwandelt werden soll. Wie soll das gehen? Ganz einfach: Lehm, getrocknete Reisschalen, Sand und Wasser vermischen und weichtreten. Die cremige Erdmasse wird dann in Formen gegossen, zum Trocknen aufgestellt und beobachtet. Gibt es große Risse beim Sonnentrocknen der Ziegelsteine ist der Lehmgehalt zu hoch. Wenn sie bei der Brechprobe am Boden in tausende Einzelteile zerbersten muss am Sandgehalt gearbeitet werden. Lokale Bodenbedingungen sind überall auf der Erde unterschiedlich und Ausprobieren, Trial and Error, sind der einzige Weg zum Erfolg. Wohlgemerkt haben wir am Ende unserer Zeit mehr als 6000 Lehmziegel verbaut und schnell ein gutes Gefühl für die perfekte Mischung bekommen.

Stein auf Stein werden allmählich die Wände hochgezogen. Als Bindemasse wird ein Mörtel aus Lehm, Sand und Reisschalenmix verwendet. Super interessant war es auch die 5 Meter Breiten und über 3 Meter hohen Torbögen anzulegen. Hier wurde zuerst eine Holzkonstruktion gebastelt, die die Lehmziegelsteine hält bis sie sich durch ihr Eigengewicht selbst stützen und stärken. Eine Schnur und ein Nagel zum Zentrieren des Bogens und ein paar Steine für die Winkelanpassung der Lehmziegelsteine sind genug, um so ein Meisterwerk zu bauen. Auf den letzten Stein sind wir natürlich besonders stolz.

Nach knapp zwei Wochen, haben wir es geschafft, die Hälfte des Hauses fertig zu stellen und dazu gelernt, wie man Putz und Lehmfarbe aus den obigen Bestandteilen mischt. Aus praktischen Gründen wurden nicht alle Elemente des Hauses aus naturnahen und lokalen Materialien gebaut. Erfahrungsgemäß machen es Termiten in Thailand unmöglich einen Lehmboden und Lehmfundament, oder eine langlebige Dachkonstruktion aus Holz anzulegen. Deswegen haben wir hier zu Beton für das Fundament bzw. Metall für die Dachkonstruktion gegriffen. Wir von virblatt sind begeistert diese alte Häuserbauweise erlernt zu haben. Es war ein unbeschreibliches Ereignis in unseren selbst gebauten Naturwänden zu stehen, die kontinuierlich Wasser (Luftfeuchtigkeit) aber auch Hitze schnell aufnehmen und wieder abgeben und zu einem super angenehmen Raumklima führen. Wir sind von der Möglichkeit beeindruckt, dass jeder Mensch seine eigenen vier Wände aus natürlichen Ressourcen errichten kann. Und wir sind dankbar dafür, all die liebevollen und interessanten Menschen kennen gelernt zu haben. Es ist unbeschreiblich, was für eine enge Beziehung man mit Menschen und Materialen in kurzer Zeit aufbaut, wenn man gemeinsam an einem so wertvollen Projekt arbeitet: Wir haben ein Haus gebaut!

Life is easy!

denk drüber nach.

virblatt

virblatt baut Wasserfilter

Wir befinden uns im Jahre 2017 n. Chr. Die ganze Welt ist von Kapitalisten besetzt… Die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Menschen bevölkertes Dorf im Norden von Thailand hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

Genau hierhin führt uns unsere nächste Reise. Es geht allerdings nicht um Kapitalismus, sondern um etwas viel Grundsätzlicheres. Farblos, geruchslos, geschmackslos und ohne Nährwert; dennoch essentiell zum leben – sauberes Trinkwasser.

Ort des Geschehens ist das Pun Pun Cener for Self Reliance. Eine biologische Farm in Mae Tang zur Erhaltung lokalen Saatguts, nachhaltigen Lebens und Lernens. Grundsätzlich geht es den Gründern um einen selbstständigen Lebensstil, indem Biolebensmittel selbst hergestellt und Naturheime aus Lehm gebaut werden und dabei wird mit allerhand Low-Tech Ressourcen experimentiert. Dabei wird den Grundsätzen des heutigen Experten-/Besserwisserwahns grundsätzlich widersprochen. Es geht nicht darum etwas zu Wissen, sondern darum mit Wissen zu experimentieren und neue Türen zu öffnen. Fehler sind dabei keine Fehler im eigentlichen Sinne, sondern einfach nur weitere Lernmöglichkeiten. Die Dichotomie zwischen Experten und Schülern wird aufgebrochen, da jeder kontinuierlich von Anderen lernt. Gemeinsames Experimentieren und gemeinsames Lernen durch direkte praktische Anwendung stehen hier im Mittelpunkt.

Ziel unserer Reise ist ein Workshop zum Bau eines Wasserfiltersystems auf Basis von Biokohle. Damit können bis zu 300 L/2000 L sauberes Trinkwasser pro Tag hergestellt werden. Das Filtersystem wurde in Kooperation mit Aqueous Solutions entwickelt und alle Bauanleitungen sind natürlich Open Source frei zugänglich. Halte dir das einfach mal vor Augen: Die Brühe aus einem thailändischen Teich, der den ganzen Tag von brennender Sonne verwöhnt wird oder Wasser aus Flüssen das durch sog. SOC (Synthetic Organic Compounds – wie Agrochemikalien, pharmazeutische Reststoffe oder Verunreinigungen fossiler Energieträger) verschmutzt ist, kann durch einen Wasserfilter für unter 100 US$ in Trinkwasser umgewandelt werden. Wir sind begeistert!

Um an Wasser für unseren Versuchsaufbau zu kommen bohren wir aus Mangel an Flüssen in der Nähe erstmal einen Brunnen. 9 Meter tief und natürlich von Hand. Zur Ausrüstung zählen lediglich ein kleiner Dieselgenerator, ein Tripod, ein Gartenschlauch und unsere Arbeitskraft.

Das Nächstliegende nach solch einem Tag in der Sonne wäre einfach ins Bett zu fallen. Eine Glocke reißt uns aus der Trance und ruft zum gemeinsamen Abendessen…Durch zwei hohe Lehmsäulen tritt man in einen weiten Raum ohne Fenster. Das heißt nicht, dass er dunkel ist. Es sind lediglich keine Fenster verbaut. Durch die gesamte Länge des Raumes zieht sich ein nicht ganz kniehoher Tisch an dessen Rändern Strohmatten ausgebreitet sind. Das Klima im Raum ist angenehm kühl und leichte Windbriesen umschmeicheln den Kopf. Gesichter von Menschen aus mehr als 20 Ländern schauen einen an – lächelnd und erschöpft. Das Essen von Mae (TH: Mutter) Dang ist wohl auch das Beste was wir seit langem in Thailand gegessen haben. Einen gelungenen Abschluss findet der Abend in einer Philosophierunde um Jon Jandai zum Thema: Why life is easy. If life is not easy it’s wrong :D. Einfach, authentisch, erfrischend und empfehlenswert (https://vimeo.com/117770298)

Am nächsten Tag haben wir mit dem Bau des Filtersystems gestartet. An sich besteht es aus 4 Tanks die mit unterschiedlichen Materialien zum Filtern des Wassers gefüllt sind. Der erste mit Kies zum Herausfiltern von groben Verunreinigungen gefüllt. Der Sand im zweiten Filter entfernt feinere Verunreinigungen. Durch Verwendung des Wasserfilters bildet sich auf der Sandschicht ein sog. Biofilm bzw. eine Schmutzdecke die erste biologische Stoffe herausfiltert und als Vorfilter für die Bio-kohle dient. Im dritten Fass befindet sich Bio-kohle und der vierte Tank ist als Speicherbecken für das Trinkwasser gedacht.

Die Biokohle haben wir nachts hergestellt. Technisch gesehen entsteht Biokohle durch Pyrolyse (anaerobe Verbrennung/Vergasung bei hier ca. 900°C) von zerkleinertem zellulosehaltigem Material u.a. Holz, Bambus oder Mais. Es handelt sich um eine unvollständige Verbrennung bei der kaum CO2 produziert wird und als Ergebnis entsteht Bio-Kohle und nicht Asche. Durch die Hitze werden Teere und Harze von der Oberfläche des Materials gelöst und verdampfen. In genau diesen entstehenden Mikroporen setzen sich später die biologischen Stoffe ab. Die zu Gesamtoberfläche des Materials kann dabei auf 400 m² pro Gramm Bio-kohle vergrößert werden (bei 20 kg also 8 Millionen m² oder 800 Hektar). Dadurch kann bei voller Arbeitsleistung können die Wasserfilter für 2-3 Jahre betrieben werden ohne die Kohle zu wechseln. Die Bio-kohle in Stückchen mit einen effektiven Durchmesser von 15 mm zu bringen hat knapp 1,5 Tage gedauert :D. (https://vimeo.com/106988697)

Abseits von dem genialen Wasserfiltersystem war PunPun eine einzigartige Erfahrung. Die Atmosphäre zu beschreiben wäre nicht angemessen. Kommt sie erleben.

Nate Reents, einer der Entwickler des Biokohle-Wasserfiltersystems und Umweltingenieur, hat uns mit seiner Hingabe zu low-tech Wassertechnologien genial durch den 2 Wochen Workshop geführt. Abgerundet wurde der Workshop durch seine unzähligen Beispiele und Erfahrungen aus Projekten in Lateinamerika und Myanmar. Genau hier werden diese Filtersysteme gebraucht. In den Pun-Pun Projekten geht es nicht nur darum, lokalen Gruppen an der Thai-Myanmargrenze diese Systeme zur Verfügung zu stellen, sondern ihnen beizubringen sie selbst zu bauen – low cost und auf der Basis lokaler Materialien.

Wir möchten dieses Projekt unterstützen. Runde deinen Einkauf von alternativer Kleidung auf und unterstütze ein Projekt von dem wir überzeugt sind.

virblatt – denk drüber nach.

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